Gicht und Urikämie
   
  Syn: Podagra, Arthritis urica, Zipperlein / Engl: Gout
  ICD-10: M10
  HER 575 / Surf 365 / DERM1 322 / Vögeli2 59
   
 
  (extern:) Wikipedia: Gicht
   
 
Allgemein
  - Urikopathie
   
 
  Purinstoffwechselstörung, charakterisiert durch Hyperurikämie und rezidivierende akute Arthralgien mit Uratablagerungen (=Harnsäure) in und um Gelenke, eventuell auch der Haut.
   
ð   Hyperurikämie   ó   Serum-Harnstoff > 6.4 mg/dl bezw. > 380 umol/L
        ï   (per Def. Labordiagnose)
ð   Podagra   ó   Gichtanfall der grossen Zehe
   
primäre Gicht
  Störung der renalen tubulären Harnsäuresekretion (99%)    
    ó   Die Nieren sind der Ausscheidung der üblicherweise anfallenden Harnsäure gewachsen, vermögen jedoch erhöhte Mengen (bei Excessen, Infektionen etc.) nicht mehr auszuscheiden.    
    ï   manifestiert sich va bei Purinreicher Ernährung und Übergewicht (Zus.Hang mit metabolischem Syndrom)    
             
  erhöhte Purin-Biosynthese (weniger als 10%)    
             
sekundäre Gicht
  erhöhten Substratanfall als Komplikation bei:    
      erhöhtem Nukleinsäuren-Turnover:    
    ï   Polyzythaemie    
    ï   Leukämie    
    ï   Tu unter Zytostatika oder Strahlen    
    ï   hämolytischen Anämien (zB perniziöse Anämie)    
      verminderter Harnsäure-Ausscheidung    
    ï   chron. Niereninsuffizienz    
    ï   Laktatazidose    
    ï   Ketoazidose (Fasten, DiabetesMellitus)    
    ï   Medikamente (va Saluretika)    
   
  va Männer betroffen (ca 90%)        
  > 40 J        
  40% mit pos. Familienanamnese
  Purinreiche Ernährung und Übergewicht   ó   Wohlstandskrankheit!
   
 
Klinik
   
   
Hyperurikämie
  dunkler Urin, der scharf riecht        
             
Podagra
  Gichtanfall im Bereich des Grosszehen-Grundgelenks        
  oft nach Alkohol-Konsum        
             
Tophi
  weisslich-gelbliche     Knoten, bevorzugt am Helixrand oder im Bereich erkrankter Gelenke (Ellbogen, Grosszehen-Grundgelenk)
  verschiebliche    
  meist schmerzlose    
             
Arthralgie-Attacken        
  schwerste GelenksSz   ï   halten zB die Bettdecke nicht mehr aus!
   
  Hyperurikämie   ï   (gehen den Arthralgien bis 20 Jahre voraus!)
  Arthralgieattacken   ï   (insbes. bei Ansprechen auf Colchicin)
  Tophi        
  Nachweis von Uratkristallen        
  Urolithiasis        
   
 
Diagnostik
   
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  Punktion   ð   Mikroskop: dünne, spitz zulaufende, "gelb/blaue", doppelbrechende Harnkristalle
        ð   zur Diagnose Gicht müssen die Kristalle intrazellulär vorhanden sein
             
  Labor   ó   Urikämie > 6.4mg/dL (>380 umol/L)
             
  Klinik   ó   Urikämie, Arthralgien, Tophi, Nephropathie, Urolithiasis
 
Röntgen
  - Rö-Symptome erst sehr spät!
             
  Weichteil-Tophi   ï   ev mit Kalkeinlagerung
  deg. Gelenkveränderungen     Gelenkspaltverschmälerung
          randständige ossäre Defekte
        ó   (va PIP)
  metaphysäre Osteolysen   ï   ossäre Tophi
  periostale Knochenappositionen   ó   (überhängende Ecken)
  fehlende Osteoporose   ó   als DD zu PCP
 

Gelenkspaltverschmälerung und Weichteiltophi va DIP II;
Metaphysäre Osteolysen im Metacarpale und in den Phalangen II-IV
quelle rst
   
 
  - Schmerzlinderung und Folgeschäden vermeiden!
   
 
  Beendigung der akuten Arthritis        
  Prävention von Arthritisrezidiven        
  Prävention und Behandlung von Harnsäureablagerungen in Gelenken, Nieren und anderen Geweben        
  Prävention und Behandlung von assoziierten Erkrankungen: (Adipositas, Hypertonie, Hypergliceridämie, Diabetes mellitus)        
   
   
Prophyllaxe von Gichtanfällen:
  - im Intervall
                 
  allgemeine Massnahmen
      Purinarme Diät
      störende Tophi ev. excidieren
      im akuten Anfall Urat-Konzentration nicht ändern (zB aktuelle Dosg. von Allopurinol nicht ändern)!
                 
  Hypo-Urikum
    ð   bei HS > 700 bezw. GFR < 60ml/Min nur Urikostatikum!4
    ð   bei HS < 700 Urikosurikum ODER Urikostatikum:
                 
      Uricosuricum: Benzbromaron, Sulfipyrazon, Probenecid (erhöht die Ausscheidung)
    ð   damit die erhöhte Ausscheidung funktionieren kann, müssen die PE mind. 2-3L Flüssigkeit/d trinken. CAVE: PE mit Herzinsuffizienz sowie Gefahr der Ureatsteinebildung im Nierenbecken und in den ableitenden Harnwegen
        Benzbromaron   z.B. mg/d   • K: Desuric® (nur PE-Information!?)
        Probenecid       • K: kein Mx eingetragen
      Uriko-Statikum:
    ð   Allopurinol (hemmt die Xanthinoxydase, die aus Xanthin HS herstellt. Dadurch fällt weniger HS an. "Produktion wird vermidert.")
            z.B. Zyloric 100-300 mg 1-0-0   • K: Zyloric®
            Niereninsuffizienz: bei eGFR 20-30ml/Min/1.73m2:5 50mg 1-0-0    
                 
      wenn Allopurinol nicht möglich ist (zB wg. NI)- Fasturek parenteral (kann Kristalle auflösen!), braucht allerdings Kostengutsprache, nur für Ausnahmepatienten5.
                 
   
Akute Gicht:
  - Urat - Konzentration nicht ändern4!
                 
  allgem. Massnahmen
      hochlagern, Ruhistellung, Entlastung der betr. Gelenke
      keine Cold-Packs! (sind steif, schwer zu ertragen / Löslichkeit der Kristalle wird schlechter4!)
        Kälte ist zumindest umstritten; es finden sich auch Spezialisten / Studien die Kälte zB bei Podagra unterstützen!
        Kälte kann auch helfen Podagra von anderen inflammatorischen KH (RA, andere entzündl. GelenksKH) zu differenzieren, da Gicht besser als jene auf Kälte reagiere18
      reichliche Flüssigkeitszufuhr (steht ein bisschen im Widerspruch zur teilweise vertretenen Meinung, die Ureatkonzentration im akuten Anfall nicht zu ändern...)
      keine Änderung an Medis, welche den Harnsäurespiegel beeinflusssen4! (kein Absetzen, kein Neubeginn, keine Dosisänderung)
                 
  NSAR - (zuerst Serum-Kreatinin abklären!)
    ð   rasch volle Dosis, initial keine Retardpräparate!
    ð   initial ev als intramuskuläre Injektion!
    ð   eine Packung in Hausapotheke abgeben, zur raschen Selbsmedikation beim nächsten Schub!
      speziell bei Gicht Indometacin:   zB ID 40mg/d   • K: Indocid®
    ð   Wirksamer, aber toxischer als andere NSAR. (in 1/3 PE UNW mit Tx-Abbruch!)
                 
a   bei KI von NSAR: Steroide per os
      rascher Einsatz, niedrige Dosis (zB 20mg Prednison), rasches Ausschleichen
      ev intraartikulär bei ausgeschlossenem Gelenksinfekt
                 
b   Febuxostat16 - in CH (noch) nicht zugelassen / 04.2011
      ebenfalls Xanthinoxidasehemmer - aber kein Purinanalog - interferiert nicht mit Purin- oder Pyrimidinstofwechsel
      hepatischer Metabolismus - muss bei NI nicht angepasst werden
                 
  Colchicin - muss zZt im Ausland bestellt werden "Colchicine"
    ð   Spindelgift: hemmt die Mitose in der Metaphase. Davon betroffen sind v.a. die Leukozyten, die sich im Rahmen der Uratentzündung lebhaft teilen und an den nichtabbaubaren Uratkristallen in ihren Lysosomen zugrunde gehen.
    ð   Pflanzengift (Herbstzeitlose), das seine schmerz- und entzündungshemmende Wirkung ausschließlich bei den Kristall- Arthropathien entwickelt. Insofern gilt ansprechen auf Colchizin bei Gicht und Pseudogicht als pathognomonisch. (Bei nicht-ansprechen Diagnose überprügen!!!)
    ð   Aufdosieren um 0.5mg/h bis der Schmerz nachlässt oder GI-Beschwerden auftretenx1 (Nauea, erbrechen, Bauchkrämpfe, wässrige DF) bezw. bis zum erreichen der Maximaldosis von 4-6mg:
            Initial: 6x 20-25 Tropfen bzw. 1-2 Drg à 0.6mg, erste drei Gaben in 1-2 stündl. Abständen
            (max. Tagesdosis 6-8mg - bei 12mg bereits Todesfälle!)    
            über 24 Stunden verteilt für insgesamt 2-3 Tage bis zum Abklingen der Schmerzen und dann noch max. 3 Tage in halbierter Dosis.    
                 
        x1 bei akutem Anfall oft NW bevor Wirkung eintritt: daher zT nicht geeignet!4
                 
      ev. auch als Prävention13, Drg. 0.6mg 1-0-0
   
 
Gicht

Mikrophotografie von Uratkristallen in einem Gichtknoten Weisse Gichtkristallablagerungen in Weichteilen und Knochen des proximalen Interphalangealgelenks der Grosszehe. massivste, mutilierende Tophi bei therapieresistenter Gicht
quelle Pschy quelle unbekannt quelle rst
Fussbefall / Podagra
von der Gicht befallenes Grosszehen-Grundgelenk mit Tophi (schmerzlos!). Der Patient hatte keine Schmerzen! Röntgenaufnahme des selben Fusses:
quelle rst quelle rst quelle rst / 244

Handbefall

     
quelle rst quelle rst quelle rst / 246
   
 
   
   
ð dRob 1355-1360 / Curran 14.61 / Laissue 56 u. 437 / Pathoskript S. 86
 
 
  Allgemein:   Dominant vererbbare Stoffwechselstörung mit inkompletter Penetranz. Mittleres Alter, 95% der betroffenen sind Männer. Harnsäureablagerungen in Gelenken, Sehenscheiden, Sehnen, Schleimbeuteln, Niere und Haut. Durch übermässigen Purinkonsum induzierbar. Verlauf in Schüben. Erster Anfall meist mit stechendem Schmerz (in der Nacht) im Grosszehengrundgelenk mit Rubor, Tumor, Dolor. Symptome verschwinden innert 48h. Im Endstadium ist Klinikbefund wie rheumatoide Arthritis.
         
  Makro:   Im akuten Anfall gerötete und geschwollene Synovialis. Der Gelenkknorpel zeigt kleine Oberflächendefekte, die Gelenkflüssigkeit ist gelb-eitrig.
        chronische Phase: Kalkartige, dickflüssige, weisse Masse im Gelenk, welche Gelenkknorpel und Synovia bedeckt.
  Mikro:   Nach Fixierung in abs. Alkohol sieht man NatriumUrat als büschelweise angeordnete, nadelartige Kristalle in der Dermis und Hypodermis, umgeben von einem Fremdkörpergranulom
        Im akuten Anfall ist ein leukozytäres und lymphozytäres Infiltrat in der Synovia. Zudem enthält sie rosettenförmige Uratablagerungen. Der Gelenkknorpel zeigt Zellzerfall, Faserschwund und Zerstörungsherde. Die Gelenkflüssigkeit zeigt massenhaft Neutrophile mit doppelt lichtbrechenden Uratkristallen.
        chronische Phase: Kristalline Natriumablagerungen radiär in rundlich-ovalen Herden, begrenzt von einem Makrophagen- und Fremdkörperriesenzellensaum. Rundherde aus doppelbrechenden Natriumuratnadeln (Tophi). Tophi kommen in der Gelenkkapsel, in Knorpel und im subchondralen Knochen vor. Corticalis und subchondrale Knochenspongiosa wird aufgelöst, dadurch Zerstörung, Deformierung mit bindegewebiger Versteifung des Gelenks. Alkohol fixiert Natriumuratkristalle.
   
Praep Bemerkung
72.5 Gicht-Tophus:
(chronische Phase): Kristalline Natriumablagerungen radiär in rundlich-ovalen Herden, begrenzt von einem Makrophagen- und Fremdkörperriesenzellensaum. Rundherde aus doppelbrechenden Natriumuratnadeln (Tophi). Tophi kommen in der Gelenkkapsel, in Knorpel und im subchondralen Knochen vor. Corticalis und subchondrale Knochenspongiosa wird aufgelöst, dadurch Zerstörung und in der Folge Deformation mit bindegewebiger Versteifung des Gelenks.
   
Quellen Verlauf Links
     
1   HER 575      
2   Surf 365      
3   DERM1 322/ dRob / Curran 14.61 / Laissue 56 / 437      
4   SKBU Rheuma: Prof. Beyeler, Gicht, 22.04.03      
5   Dr. J. Sollberger, CA Medizin, Langnau, Juni 2010   ok  
16   Lancet. 2011;377:165-77   ok  
17   Local ice therapy during bouts of acute gouty arhtritis. Schlesiger N et al, J Rheumatol. 2002 Feb;29(2):331.4   ok  
18   Response to application of ice may help diferentiate between gout arthritis and other inflammatory arthritides. Schlesinger N. J Clin Rheumatol. 2006 Dec;12(6):275-6   ok  
begonnen   12.07.04    
aktualisiert:   17.07.04   (Tx)
    26.08.04   (Rö)
    26.08.10   Allopurinol, Fasturek (JS)
    15.04.11   Febuxostat, Studien zu Kälte, Wiki
    27.03.13   Gichttophi Hand
broken links:   17.07.04   (Kompendium)
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Legende / farbcode
12   super-Gicht-Seite    
6   Medizin-Weltweit    
7   emedicine    
8   eine sehr persönliche und gute Gicht-Seite    
9   Dr. Fiedlers Gicht-Checkup    
10   eine TC-Seite mit viel Infos zu Purin-Diät    
•11   at. Aerztezeitung, Studie NM und Gicht    
13   http://www.medicinenet.com/colchicine/article.htm   ok
14   Wikipedia: Gicht    
15   Ars Medici: Neue Empfehlungen zur Therapie der Gicht (gem. EULAR); 21/2014, 1054-1055