Kardiotokografie / CTG

Hebammenweiterbildung vom 3. März 2005

Dr. med. Charlotte Mischler

 

 

Geschichte

Bereits 1766 wurden durch Wrisberg die Herztöne des Kindes mittels Auskultation beschrieben. Pinard (1844 – 1934) entwickelte ein gerades Stethoskop aus Holz zur Auskultation. 1962 gelang es Hammmacher, die fetale Herzfrequenz (FHF) mittels Phonokardiografie zu registrieren. Seit etwa 1970 werden die Herztöne mittels Ultraschalldopplerregistrierung durch den Kardiotokografen aufgezeichnet.

Technik der Kardiotokografie

Das CTG zeichnet gleichzeitig die fetale Herzfrequenz und die mütterliche Wehentätigkeit (Tokodynamometer) auf. Neuere Geräte registrieren zudem die fetalen Bewegungen, sogenannte Kineto-Kardiotokografie.

Charakteristisch für das CTG ist, dass die fetale Herzfrequenz fortlaufend aus dem Intervall zwischen zwei aufeinanderfolgenden Herzaktionen berechnet wird. Das CTG unterscheidet sich also von der traditionellen Pulsmessung, welche die Herzfrequenz über eine bestimmte Zeitdauer summiert. Durch diese Schlag-zu-Schlag-Registrierung kann der Dopplerkardiograf laufend die momentane Herzfrequenz angeben.

Gelegentlich kann das Gerät Schwierigkeiten bei der Signalentdeckung haben und eine breite Streuung der Herzfrequenzangaben machen; diese nervöse Suche des Gerätes heisst jitter, ist ein Artefakt (Pseudobandbreite oder Pseudofluktuation) und kann durchVergleich der gehörten und gezeigten Frequenz definiert werden.


Das Papier des Druckers ist für eine Herzfrequenz von 50 – 210 und eine intrauterine Druckamplitude von 0 – 100 mm Hg standardisiert.
Die Papiervorschubgeschwindigkeit variiert von 1 – 3 cm/min (wir schreiben mit 1 cm/min.). Zwillinge werden gleichzeitig registriert, aber mit einer Parallelverschiebung der Herzfrequenz des einen Kindes um 20 Schläge.

Zur exakten Dokumentation gehören die Beschriftung des Streifens mit Name und Geburtsdatum der Frau, dem Datum der Registration (und ev. Gestationsalter) und dem Visum der für die Beurteilung verantwortlichen ÄrztIn (zur Beurteilung müssen 80 % der Aufzeichnung qualitativ gut sein). Die CTG-Streifen werden chronologisch nummeriert.
Graffittis durch Händealkohol sind zu vermeiden!.

Wehenregistrierung:

Alvarez-Wellen: ab der 20. SSW treten diese unregelmässigen lokalen Muskelverkürzungen im Minutenrhythmus auf und nehmen gegen Ende der Schwangerschaft an Frequenz ab und an Intensität zu bis 20 mm Hg.

Braxton-Hicks-Kontraktionen: grössere Muskelareale kontrahieren sich etwa 3 mal pro Minute auf 10 bis 15 mm Hg. Nach der 30. SSW sind bis 5 Kontraktionen pro Stunde physiologisch (früher Vorwehen oder Senkwehen genannt). Fliessender Übergang in Reifungswehen, wenn der ganze Uterus beteiligt ist und Eröffnungswehen wenn die Zervix verstreicht.



Geburtswehen: beginnen meistens und am effektivsten im rechten oberen Segment des Uterus und bereiten sich mit einer Geschwindigkeit von 2 cm/s über das Corpus und den Isthmus uteri bis hin zur Zervix aus. Die Eröffnung erfolgt, wenn der Druck im Fruchtwasser 25 mm Hg übersteigt und die Wehenfrequenz 10 Kontraktionen in einer halben Stunde übersteigt. In der späten EP erreicht der Druck in der Fruchthöhle 50 mm Hg. Wenn der Uterus in der Wehe nicht mehr eindrückbar ist, beträgt der intraamniale Druck mindestens 40 mm Hg.

Geburtswehentypen:
Typ 1: langsamer Druckanstieg bis zur Akme mit steilem Druckabfall (frühe EP)
Typ 2: langsamer Druckanstieg und spiegelbildlicher Druckabfall (restliche EP)
Typ 3: schneller Druckanstieg und langsamer Druckabfall (effektivster Geburtsfortschritt)


Definitionen nach FIGO

Langfristige FHF-Veränderungen

  Baseline (BL)/Basalfrequenz: Normwert zwischen 110 – 150 bpm auf einer Strecke von 10 Minuten.
  Floatingline: langfristige Oszillationsmittellinie
   
  Tachykardie: Ein länger als 10 Minuten anhaltender Anstieg der Baseline über 150 bpm (bis 170 bpm) wird als leichte Tachykardie bezeichnet und gilt als suspekt, während die schwere Tachykardie (Frequenz über 170 bpm) als pathologisch gilt. Ursachen: akustische, taktile, optische oder thermische Stimulation, Hypovolämie, Hypotonie, Stress, Fieber, Medikamente, Amnioninfektsyndrom, fetale Arrhythmien, fetale Hypoxie!!!!
  Bradykardie: Ein Herztonabfall von mehr als 3 Minuten zwischen 100 und 110 bpm wird als leichte und suspekte Bradykardie bezeichnet, während die schwere Bradykardie unter 100 bpm pathologisch ist. Ursachen: Vena cava- Kompression, Dauerkontraktion, orthostatische Dysregulation, fetaler AV-Block, fetale Hypoxie
   



Mittelfristige FHF-Veränderungen

  Akzeleration: Frequenzanstieg um 15 oder mehr bpm über BL von 15 Sekunden bis maximal 10 Minuten Dauer, normalerweise 2 oder mehr Akzelerationen pro 10 Minuten. Ursachen: Kindsbewegungen
   
  Dezeleration: Frequenzabfall von 15 oder mehr bpm unter BL zwischen 10 Sekunden und 3 Minuten
1. leichte Dezelerationen: max. 30 bpm während max. 30 Sekunden. Ursachen: Nabelschnurkompression, Nabelschnurknoten oder -umschlingungen
2. mittelschwere Dezelerationen: 30 – 60 bpm während max. 60 Sekunden.
3. schwere Dezelerationen: über 60 bpm während mehr als 60 Sekunden.
Ursachen für mittelschwere und schwere Dezelerationen: Kopfkompression, fetale Hypoxie, Dauerkontraktion, Vena cava Syndrom
   
  DIP 0 (Spikes): Kurzfristiger Abfall der FHF, max. 30 Sekunden
  DIP I: Wehensynchron, periodisch mit jeder Wehe wiederkehrende frühe Dezelerationen
  DIP II: Wehenabhängige, verspätete (20 bis 90 Sekunden) und periodische Abfälle der FHF. Der Beginn der Dezeleration fällt mit dem Peak der Wehe zusammen
  Variable Dezelerationen: Sehr variables Bild und wechselnder zeitlicher Zusammenhang mit den Wehen, ebenfalls wechselnd tiefer Frequenzabfall



Zusatzkriterien bei variablen Dezelerationen nach Fischer:

  Abflachung der Anstiegssteilheit
  Oszillationsverlust in der Dezeleration
  Verlust der initialen Akzeleration
  Fortbestehen der kompensatorischen Akzeleration
  Nichterreichen der ursprünglichen Basalfrequez
  Auftreten von gedoppelten und verrundeten Dezelerationen




Kurzfristige FHF-Veränderungen

  Oszillation: Schwingungen um einen gedachten Mittelwert. Die Anzahl Nulldurchgänge oder Oszillationen pro Minute wird Oszillationsfrequenz genannt und beträgt zwischen 2 – 6/Min. Die Höhe der Oszillationsausschläge ergeben die Oszillationsamplitude oder Bandbreite.
   
  Bandbreite: Die Bandbreite oder Oszillationsamplitude hängt mit dem Schlagvolumen des Herzens zusammen. Deshalb hat ein schlafender Fet eine niedrigere Bandbreite. Oszillationstypen nach Hammacher und FIGO:
- saltatorisch (Amplitude über 25 bpm)
- undulatorisch (Amplitude 10 – 25 bpm)
- eingeengt undulatorisch (Amplitude 5 – 10 bpm)
- silent (Amplitude unter 5 bpm)
- sinusiodal (Daumenlutschen, Saugbewegungen, präterminal!!!)
   



CTG in der Eröffnungsphase


Ein Eintritts-CTG in den Gebärsaal ist in der Schweiz Standard.

Die meisten internationalen Fachgesellschaften empfehlen in der physiologischen Eröffnungsphase die intermittierende Auskultation alle 15 Minuten während mindestens 60 Sekunden. Die sorgfältige Dokumentation ist unerlässlich und bedingt die ständige Präsenz der Hebamme bei der Gebärenden. Wenn es die Personalsituation nicht erlaubt, wird kontinuierliche Ableitung empfohlen.


Indikationen zur kontinuierlichen CTG-Aufzeichnung:

  Belastete Anamnese (perinataler Kindsverlust, perinataler Hirnschaden)
  Status nach Sectio
  Hypertensive Schwangerschafterkrankung
  Diabetes mellitus
  Frühgeburt
  Mehrlinge
  Beckenendlage
  IUWR
  Blutungen im letzten Trimenon
  Terminüberschreitung über 42. SSW
  Vermindertes Fruchtwasser
  Geburtseinleitung
  Vermehrte Blutung in der EP oder AP
  Mekoniumabgang
  Protrahierter Geburtsverlauf mit Gebrauch von Oxytocin
  Periduralanästhesie PDA
  Pathologisches CTG bei Eintritt



CTG in der Austreibungsphase


In den schweizerischen Geburtskliniken ist die kontinuierliche CTG-Ableitung in der AP Standard.

Die Klassifikation nach Melchior gibt aufgrund umfangreicher Untersuchungen in Abhängigkeit von verschiedenen CTG-Befunden Empfehlungen für das Zeitlimit in der Pressphase bis zur Geburt. Ziel ist die Vermeidung von Acidosen. Die Zeitangaben gelten für Feten mit guten Kompensationsreserven.


Typ nach Melchior Zeitlimite
0 keine Dezelerationen keine
1 variable Dezelerationen bei jeder Wehe 15 – 20 Minuten
2a Bradykardie 90 – 120 bpm mit oder ohne variable Dez. 15 Minuten
2b Bradykardie unter 90 bpm ev mit Oszillationsverlust 5 – 10 Minuten
3 Bradykardie mit Akzelerationen bei jeder Wehe 5 – 15 Minuten
4 terminale Bradykardie unter 90 bpm 5 (-10) Minuten


 
Typ 0: keine zeitliche Limite   Typ 1: 15-20 Min
     
 
Typ 2a: 15 Min   Typ 2b: 5-10 Min
     
 
Typ 3: 5-15 Minuten   Typ 4: 5 (-10) Min ab *


Bedeutung von verschiedenen CTG-Mustern in der Austreibungsphase (nach Römer, 1990)


weitere Beispiele zum anklicken

  ??? (CTG-Schreiber sucht nach fetaler Herzfrequenz)
  saltatorische fetale Herzfrequenz
  variable Decelerationen
  fetale Schlafphase
  Agonale Bradycardie